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Das Finantio Interview mit Evergreen CEO Iven Kurz (2023)

Evergreen gehört mittlerweile zu den beliebtesten digitalen Vermögensverwaltern aus Deutschland. Das Unternehmen wurde 2018 mit Iven Kurz als CEO gegründet und steht heute vielen Fintechs (z.B. Tomorrow Bank oder Forget.Finance) als Partner für digitale Anlagelösungen zur Verfügung.

Wir haben uns dazu entschieden, einen Blick hinter die Kulissen von Evergreen zu werfen und gemeinsam mit CEO Iven Kurz ein Interview geführt.

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Hallo Iven, danke, dass du das Interview mit uns machst. Kannst du dich und deine Rolle bei Evergreen kurz vorstellen?

Auch von mir Hallo und sehr gerne. Ich bin CEO und Gründer von EVERGREEN und bin daher in eigentlich alle Prozesse eingebunden – in erster Linie, aber natürlich bin ich Teil des Portfoliomanagements. Denn meine beruflichen Wurzeln liegen im Asset Management – besonders im institutionellen Bereich. 

Das bedeutet dem Managen von Wertpapierfonds für institutionelle Anleger wie Versicherungen, Pensionskassen, Kirchen, Stiftungen und Unternehmen. In diesem Kontext habe ich auch die Bereiche Wertsicherung und Total Return als Direktor bei den Asset Managern Metzler und Lampe geleitet – bevor ich 2018 EVERGREEN in meiner Heimatstadt Leipzig gegründet habe.

Kurzbiografie für Iven Kurz

Iven ist Gründer und CEO von EVERGREEN. Bevor er den nachhaltigen Asset Manager mit digitaler Vermögensverwaltung gründete, war er 20 Jahre lang Fondsmanager und unter anderem Direktor für quantitative Wertsicherungsstrategien bei Metzler. Mit EVERGREEN soll es allen ermöglicht werden auf faire und transparente Weiße Geld für die verschiedensten Ziele anzulegen.

Mittlerweile existieren mehr als 45 digitale Vermögensverwalter (Robo-Advisor) in Deutschland. Wie unterscheidet ihr euch von Scalable Capital, Growney und den anderen Anbietern?

Wir unterscheiden uns in einigen wesentlichen Punkten von einem Robo-Advisor. Die wichtigsten Punkte sind:

  • Wir verlangen keine Service,- Depot oder Transaktionskosten. Die digitale Vermögensverwaltung und die Depots sind für unsere Anleger:innen gebührenfrei.
  • Wir verwenden ausschließlich nachhaltige Investmentprodukte und hier schließt sich gleich an, alle Investmentfonds werden von uns selbst gemanagt. Das ist für die nachhaltige Geldanlage sehr wichtig, da ETFs nur sehr unzureichend nachhaltigen Kriterien gerecht werden. EVERGREEN ist also eher ein nachhaltiger Fondsmanager mit angeschlossener Investmentplattform.
  • Unsere EVERGREEN Depots werden steueroptimiert gemanagt, was beispielsweise in einem Zeitraum von 30 Jahren zu einem steuerfreien Ertrag von bis zu 30.000 Euro führen kann.
  • EVERGREEN ist eine B Corp, eine Benefit Corporation so wie Patagonia oder die Tomorrow Bank. Die B Corp Zertifizierung wird von der NGO B Lab für Unternehmen mit besonderem gesellschaftlichen, ökologischen und sozialen Impact durchgeführt.

Zum Herzstück eures Modells gehört das prognosefreie Risikomanagement. Was genau kann ich mir als unerfahrener Privatanleger darunter vorstellen?

Die Idee dahinter entstammt noch meiner Zeit bei Metzler, wo wir ein dynamisches Wertsicherungskonzept für institutionelle Großkunden entwickelt haben. Mit dieser Idee, ein institutionelles Total-Return-Konzept für den breiten Markt zu öffnen und es ab 1 Euro – anstatt wie früher ab 20 Millionen Euro – jedem zugänglich zu machen, habe ich EVERGREEN gegründet. 

Das Konzept an sich ist sehr mathematisch und beruht im Wesentlichen darauf mit dem Markt mitzugehen und die Aktien- und Anleihenquoten dynamisch steuern zu können. Das Ziel dabei ist nicht eine Überrendite zu erwirtschaften, sondern die Schwankungsbreite zu verringern. 

So dämmt unser Riskmanagement-Ansatz, den wir übrigens Passive Dynamic Investing (kurz PDI) nennen das Verlustrisiko bei negativen Marktschwankungen ein und gewährt die Partizipation bei einer positiven Marktentwicklung. 

Etwas komplexer ausgedrückt basiert der Ansatz auf einer Optionsreplikationsmethode, bei welcher die Arbeiten von Black und Scholes (siehe auch Black-Scholes-Modell) die Basis bilden. Für alle, die hier wirklich tief einsteigen wollen, kann ich das Whitepaper auf unserem Blog empfehlen. Dort geht es wirklich in die Tiefe.

Neben aktivem Risikomanagement bieten wir übrigens auch passives nachhaltiges Vermögensmanagement an, welches eher Indexorientiert ist. Auch hierfür verwenden wir unsere eigenen nachhaltigen EVERGREEN-Fonds

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Habt ihr Daten, um zu bestimmen, wie euer Modell z.B. im direkten Vergleich mit VAR-Risikomodellen (Scalable Capital) abgeschnitten hat?

Dazu fehlen uns die Daten der Wettbewerber. Allerdings haben wir uns bei meiner Zeit als Leiter des quantitativen Asset Managements im institutionellen Sektor gegen ein reines VAR-Modell entschieden, da es für Wertsicherung auf Basis einer dynamischen Asset Allokation nicht geeignet erschien.

Wie reagiert euer Risikomanagement auf Marktschwankungen, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben? Konntet ihr Vergleichsindizes wie z.B. den MSCI-World schlagen?

Mit Riskmanagement kann man keine Aktienindizes schlagen. Man kann aber das Risiko/Ertrag-Verhältnis von Anlegerportfolios verbessern. Und das heißt, dass man in vielen Marktphasen dann doch deutlich besser als ein Aktienindex abschneidet, gerade wenn es an den Börsen mal nicht so gut läuft. 

Das bedeutet, Anleger:innen müssen in ihrer Ansparphase bis zum Ruhestand nicht die extremen Ausschläge, die für den MSCI-World schon über -50 Prozent Verlust bedeuteten, erleben. Auch Phasen ganz ohne Rendite wie die 14 Jahre von 2000 bis 2014 für den MSCI World sind für Portfolios mit Risikomanagement sehr unwahrscheinlich. 

Wer allerdings mit dem Risiko eines Aktienindex-Portfolios leben kann, für den ist das keine schlechte Wahl. Und dann ist da natürlich noch das Thema Nachhaltigkeit.

Wie schätzen eure Portfoliomanager die aktuelle Marktsituation ein? Können wir in 2023 sogar schon mit einer Erholung rechnen?

Was wir tatsächlich sehen, ist eine Erholungstendenz auf breiter Front. Der DAX hat sich z.B. seit Jahresbeginn deutlich positiv entwickelt, ebenso wie der NASDAQ Composite Index. Man sieht auch, dass die Verkündungen der Zentralbanken weniger negativen Einfluss auf die Märkte haben – im Vergleich zum letzten Jahr. 

Auch weil viele der Befürchtungen, die die Stimmung auf dem Kapitalmarkt 2022 eingetrübt haben, nicht so eingetreten sind. Auch die Öffnung Chinas und die Beendigung der dortigen Null-Covid-Politik können positive Effekte haben, da die globalen Lieferketten so wieder in Schwung kommen können. Das Thema Inflation bleibt uns als Unsicherheitsfaktor sicher erhalten.  

Einen Punkt, den ich ergänzen möchte, weil er oft zu kurz kommt, ist das Thema Anleihen und besser gesagt das Comeback der Anleihen. Durch die Politik der Notenbanken sind die festverzinslichen Wertpapiere wieder attraktiver geworden und damit auch klassische Mischportfolios, die nun nicht nur rentabler geworden sind, sondern in Sachen Diversifikation wieder punkten können.

Nachhaltigkeit spielt bei der Asset Allocation eurer Fonds eine entscheidende Rolle. Wie viel Einfluss hat der Anteil an Nachhaltigkeit der Unternehmen auf das Portfoliorisiko?

Grundsätzlich gibt es kein erhöhtes Risiko bei nachhaltigen Fonds im Vergleich zu nicht-nachhaltigen Produkten. Auf den ersten Blick erscheint das unlogisch, da man in einem nachhaltigen Portfolio Unternehmen und auch ganze Sektoren ausschließt, allerdings gibt es eine hohe Korrelation im Kapitalmarkt. 

Langfristig kann es sogar von Vorteil sein, auf nachhaltige Unternehmen zu setzen, da Geschäftsmodelle, die nicht nachhaltig sind, auf die Dauer vom Markt verschwinden könnten. Ein Beispiel hierfür ist der Kohlesektor, so hat das Forschungsunternehmen CarbonDelta errechnet, dass diese Branche bis zum 2050 einen Wertverlust von über 200 Milliarden Dollar hinnehmen muss. 

Auch zeigt sich, dass nachhaltige Unternehmen krisenresistenter sind als vergleichbare nicht-nachhaltige Unternehmen. Für uns als Fondsmanager ist klar, dass wir bei der Aufstellung eines Fonds immer das gesamte Portfoliorisiko im Blick haben und es so managen, dass kein zu großer Sektor-Bias oder zu große Klumpenrisiken auftreten.

Was unterscheidet euren Auswahlprozess von den allgemeinen ESG- und SRI-Kriterien?

Wir verfolgen keinen Best-in-Class-Ansatz und verwenden keine groben Screens wie etwa ein ESG-ETF, sondern wir schauen uns tatsächlich jedes einzelne Unternehmen, jedes einzelne Investment an. 

Problematische Sektoren schließen wir komplett aus. Auch das investierbare Universum verändert sich ständig. So gibt es nachhaltige Unternehmen, die aus sozialer oder gesellschaftlicher Sicht auch wieder aus dem Universum herausfallen. ESG-ETFs können einem echten Nachhaltigkeitsanspruch in dieser Hinsicht nicht wirklich gerecht werden. 

Wir berücksichtigen auch die klassischen ESG- und SRI-Kriterien, aber nur im ersten Schritt. Sie gehen uns und unseren Ansprüchen an Nachhaltigkeit nicht weit genug. Das sieht man auch daran, wie die ESG gelabelten ETFs aufgestellt sind.

Vielen Dank für das Interview und die umfangreichen Antworten, Iven! 👋

Über den Autor
Carlos

Co-Founder von Finantio

Carlos arbeitete nach seinem Wirtschaftsstudium in Frankfurt in der Strategieberatung und bei verschiedenen Fintechs im Marketing & als Produktmanager. Dort sammelte er Erfahrung in der Finanzwelt, die er heute bei Finantio teilt.

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